Liebe Hundemenschen,
weil Kommunikation -wie ich finde - eines der wichtigsten Themen im Zusammenleben zwischen Hund und Mensch darstellt, und sich immer wieder viele Mythen und Geheimnisse darum ranken, habe ich hier mal eine etwas wissenschaftlichere aber sachliche Zusammenstellung zusammengetragen:
Interaktion
Zunächst eine Definition, die auch von Dr.
Feddersen – Petersen gestützt wird:
Als Interaktion wird jede Verhaltensweise
eines Individuums bezeichnet, die mit einer Wahrscheinlichkeit, die als nicht
zufällig abgesichert werden kann, eine beobachtbare Verhaltensmodifikation des
Adressaten bewirkt.
Es geht also um den Austausch von
Verhaltensweisen, wobei das Verhalten von Individuum A eine Reaktion von
Individuum B hervorruft. Dabei ist das Verhalten von A nicht zwingend mit
Information belegt. Interaktion, die ein informatives Signal transportiert
nennt man Kommunikation.
Alle Lebewesen interagieren als offene
Systeme ständig mit Ihrer Umwelt und nehmen kontinuierlich Informationen auf, um
sich auf ständig wechselnde Anforderungen einstellen zu können.
Kommunikation
Kommunikation oder soziale Interaktion ist
ein wesentlicher Bestandteil organismischen Lebens und soziales Verhalten und
Kommunikation bedingen einander.
Kommunikation ist grundsätzlich die
organismische Interaktion mit der gesamten Umwelt auf der Grundlage eines
Informationswechsels. Sie ist nicht zufällig sondern beinhaltet die Absicht des
Senders, der Informationen semantisch, also mit Inhalt, belegt. Kommunikation
ist ein Vorgang, mit dem ein Individuum das Verhalten des anderen beeinflusst,
ohne selbst die für diese Verhaltensänderung notwendige Energie zur Verfügung
zu stellen. Tier A hat mit Tier B dann kommuniziert, wenn A´s Verhalten die
Sinnesorgane von B dergestalt manipuliert, dass B´s Verhalten sich ändert. Wenn
also Tier A das Bein von Tier B abbeißt, hat es bei Tier B zwar eine
Verhaltensveränderung hervorgerufen, es lag aber keine Kommunikation vor. Auch
der Ausspruch „Spring von der Brücke“ wäre
mit der entsprechenden Reaktion Kommunikation, das Herunterstoßen von einer
Brücke aber keine. Es wäre auch keine Kommunikation, wenn der Betreffende
bereits vor hat zu springen, der Sender es ihm nur nochmals sagt und er dann
springt. Allerdings wäre es wieder Kommunikation, wenn er springen will, der
Sender ihm sagt, er solle es nun tun, der Empfänger aber daraufhin aus Trotz
NICHT springt. Entscheidend ist hier, dass das Verhalten des Empfängers
beeinflusst wird.
Daraus ergibt sich der Ansatz, dass z.B. das
immer noch von einigen Trainern für gut befundene aktive auf den Rücken werfen
eines Hundes zumindest keine Kommunikation mehr darstellt – das aber nur
nebenbei.
An Kommunikation ist immer ein Sender, ein
Empfänger und ein Signal beteiligt. Während Kommunikation bei Feddersen –
Petersen die Absicht beinhaltet, ein Signal zu senden definiert Gansloßer
Kommunikation auch als gegeben, wenn der Sender das Signal unbeabsichtigt
sendet. Auch unbeabsichtigte
Mitteilungen können eine Verhaltensänderung bei anderen auslösen. So
kommuniziert ein Individuum über sein Verhalten evtl. mit einem anderen, dass
das Erste unbemerkt oder auch bemerkt beobachtet, wenn das beobachtende aus dem
Verhalten des beobachteten Rückschlüsse ziehen kann.
Je nachdem, welche Sinne an der
Kommunikation beteiligt sind, spricht man in der Kommunikationsforschung von
optischer, visueller, akustischer, olfaktorischer, chemischer, thermischer oder
taktiler Kommunikation. Kommunikation findet bei Hunden fast nie über nur einen
Kommunikationskanal statt, fast immer werden mehrere Kanäle gleichzeitig
genutzt.
Es lohnt sich in diesem Zusammenhang, das
Signal etwas näher zu betrachten:
Das Signal kann auf unterschiedlichen
Kanälen gesendet werden und die physikalischen Eigenschaften der Übertragungswege
beeinflussen auch die Wirkung des Signals. Es muss eine Information
transportieren. Gansloßer definiert eine Information als solche, wenn sie eine
vorhandene Unsicherheit beim Empfänger reduziert. Je sicherer sich der Empfänger also nach dem
Empfang eines Signals über irgendeine Sache ist, desto mehr oder qualitativ
hochwertigere Informationen wurden übertragen. Die Unsicherheit wird mit jeder
Wiederholung des Signals geringer, aber die größte Reduktion der Unsicherheit
findet beim ersten Senden eines Signales statt. Man sollte sich also bemühen,
Signal von Anfang an eindeutig zu senden, und möglichst selten zu wiederholen.
Allerdings können Signale auch die
Unwahrheit transportieren, nämlich dann, wenn der Sender versucht, den
Empfänger zu täuschen. Das macht die chemische Kommunikation bei Hunden so
wertvoll. Die Zusammensetzung von Urin, Kot oder Drüsensekreten kann vom Hund
nicht beeinflusst werden und ist daher immer ehrlich.
Dr. Feddersen-Petersen differenziert noch
zwischen direkter Kommunikation (Signale, die sofort empfangen werden) und
indirekter Kommunikation. Die indirekte Kommunikation bedient sich länger
wirkenden, nachwirkenden oder verzögerten Signalen, z.B. Chemischer Art
(Urinmarkierungen).
Bei vielen Tieren werden Kommunikationselemente
tradierend weitergegeben und müssen so von den Jungen zunächst gelernt werden
(bestimmtem Verhalten wird eine Bedeutung zugeschrieben) – so auch bei Caniden.
Interspezifische
(artübergreifende) Kommunikation
Der Ethologe Michael Fleischer beschreibt
das Dilemma der Kommunikation zwischen Hunden und Menschen so: „Der Mensch
nimmt weniger Zeichen wahr, als an ihn gesendet werden und der Hund nimmt mehr
Zeichen wahr, als der Mensch an ihn (bewusst) sendet.
Hunde können nicht nur sehen (visuelle
Kommunikation) und hören (akustische Kommunikation), was ihnen kommuniziert
wird, sie haben auch noch eine sehr feine Nase (olfaktorische Kommunikation)
zur Verfügung, was es schwierig macht, sie über unseren wirklichen emotionalen
Zustand zu täuschen. Allerdings gibt es Versuche und Studien von Adam Miklosi,
der mit seinem Bechertest herausfinden wollte, wie gut Hunde menschliche
Zeigegesten verstehen und sich danach richten. Es wurden dem Hund zwei Becher
präsentiert, von denen unter einem eine Belohnung platziert war. Dann deutete
ein Mensch mit einer Zeigegeste (Finger, Hand, Arm, Bein, Kopfbewegung,
Augenbewegung) auf den richtigen Becher. Das Ergebnis war deutlich: Die Hunde
entschieden sich zum größten Teil für den Becher, auf den gedeutet wurde,
obwohl sie nicht gesehen hatten, wie die Belohnung versteckt wurde. Auch Welpen
handelten so. Sogar als die Belohnung vor den Augen der Hunde versteckt wurde
und der Versuchsleiter mit Absicht auf den falschen Becher deutete, wurde von
den Hunden mehrheitlich dieser falsche Becher gewählt. Sie vertrauten also der
Zeigegeste mehr, als dem, was sie kurz vorher mit eigenen Augen gesehen hatten.
Dabei folgten Rassen, die zur Kooperation
mit dem Menschen gezüchtet wurden, der Zeigegeste besonders gut, eigenständige
Rassen wie Herdenschutzhunde weniger gut.
Der Ausdruck unserer Absichten und
Emotionen wird von unseren Hunden, die Meister in der ganzheitlichen
Decodierung von Ausdrücken sind, excellent verstanden. Über unser Ausdrucksverhalten
können wir mit Hunden differenziert kommunizieren, wenn sie unsere Mimik,
Gestik und Stimme gezielt mit Aufforderungen und ihren eigenen
Verhaltensänderungen assoziieren können. Hunde lernen in diesem Bereich sehr
intensiv, sind aber auf unsere Disziplin angewiesen, die Konstanz und eine
gewisse Konsequenz erfordert. Ein bestimmter Ausdruck, der mit einer Bestimmten
Handlung einmal assoziiert wurde sollte nicht nach Belieben umgelenkt werden.
Hundehalter müssen ihren Hund zwangsläufig
lesen können und Kenntnis über sein Ausdrucksverhalten haben, denn nur so kann
der Hund einigermaßen verstanden und somit gelenkt werden.
Jede
Kommunikation hinterlässt ihre Spuren. Ein Hund ist bestrebt zu lernen, sich in
seiner sozialen Gruppe zurechtzufinden, sich in sie einzufügen.
Menschen sollten mit Hunden also unbedingt
ganzheitlich kommunizieren – körpersprachlich, mit Gesten, Blicken, Stimme mit
verschiedener Modulation oder Lautstärke (nonverbal!) und dabei viele Elemente
ihres Ausdrucksverhaltens einsetzen. Dabei findet gegenseitiges
Kommunikationslernen statt und der Hund verknüpft das Verhalten des Menschen
regelhaft mit den Situationen und Stimmungen.
Hunde lernen auch unsere Signale bzw. Sinngehalte, die über die Mimik
und Gestik hinausgehen (Art des Sprechens, Bewegungsweise, Gesichtsausdruck)
schnell und präzise kennen und mit den zu erwartenden Handlungen zu
assoziieren. Es geht also weniger um das Einführen neuer Elemente in die
menschliche Kommunikation, sondern vielmehr um die Kultivierung des vorhandenen
analogen Verhaltens. Nur diese analoge (das Gegenteil wäre digital – wie die
menschliche Sprache) Kommunikation wird
interspezifisch – also über die Artgrenzen hinaus) verstanden. Hunde können
über die Domestikation das analoge Verhalten des Menschen sehr gut
interpretieren. Es gibt also eine angeborene Disposition, die der Kommunikation
mit dem Menschen entgegenkommt. Man muss ihnen nur die Chance geben, sich auf
den jeweiligen menschlichen Partner einzustellen und dessen individuelle
Kommunikationselemente zu verstehen. Über sein Verhalten liefert der Mensch
seinem Hund also etliche Botschaften. Geschieht dies bewusst zur Verständigung,
indem bestimmte Bewegungen mit bestimmten akustischen Hilfen verknüpft, bei
gewünschter Reaktion des Hundes belohnt werden, ist letztendlich eine
Kommunikation über kleinste Zeichen zu erreichen.
Zwischen Menschen und Hunden gibt es im analogen
(körpersprachlichen) Bereich meistens viele Übersetzungsfehler. Daher müssen
beide bei der interspezifischen Kommunikation lernen, was was bedeutet und welche Aktionen welche
Folgen nach sich ziehen. Das Erlernen von Signalbedeutungen im unterschiedlichen
Sinnzusammenhang bei Mensch und Hund führen zum Verstehen und zur weitgehenden
Verständigung. Dieses erfolgt auf der Grundlage der lang bekannten lerntheoretischen
Prinzipien. Wichtig für das
Kommunikationslernen und das soziale Lernen oder die Einfügung des Hundes in
die soziale Gruppe „Familie“ ist es, der Aufmerksamkeit der Hunde gerecht zu
werden. Hunde müssen lernen, wie sie sich unseren Absichten entsprechend, die
klar und deutlich kommuniziert werden müssen, verhalten können.
Artübergreifende Kommunikation bedarf des
sozialen Lernens von Mensch und Hund. Dabei meint soziales Lernen das Entstehen
stabiler Verhaltensänderungen aufgrund vorausgegangener Erfahrungen. Schon und
gerade die frühe Verhaltensentwicklung des Hundes sollte im Sinne des Lernens
der sozialen Kommunikation genutzt werden.
Hunde zeigen natürlich auch Menschen
gegenüber ihr arttypisches Verhalten mit Mitteilungsfunktion, versuchen also
mit ihm zu kommunizieren und über Stimmungsbeeinflussung bzw.
Reaktionsauslösung an der Steuerung des Zusammenlebens mitzuwirken. Bei der
interspezifischen Kommunikation zwischen Hund und Mensch wird der Hund oft
missverstanden, weil der menschliche Partner hundliches Ausdrucksverhalten
nicht ausreichend kennt und den Hund wie einen Menschen anspricht. Wenn Hunde
für situativ angebrachtes arttypisches und angeborenes Verhalten bestraft
werden, und so das Ziel hundlichen Verhaltens über längere Zeit nicht erreicht,
gerät das Tier unter Umständen in einen
chronischen sozialen Stress, woraus letztendlich Verhaltensprobleme
resultieren. Analoges Kommunizieren, das
Verbundenheit impliziert und stimmig ist, erreicht empathisches Empfinden – und
damit sein Ziel.
Bei (sozial) kommunizierenden Individuen
ist Kommunikation abhängig von dem, was vorausging und wird das beeinflussen,
was folgt. Eine beständige und möglichst konsequente Haltung Hunden gegenüber
vermag ihnen soziale Sicherheit und das Wohlbefinden zu vermitteln, das zu
einer verlässlichen Partnerschaft zwischen Mensch und Hund führt. Dabei darf
die tiergerechte Kommunikation mit Hunden nicht allein den Bedürfnissen des
Menschen dienen, sondern sollte so ausgerichtet sein, dass sie dem Hund eine
umsetzbare, verlässliche und konstante Hilfe bei seiner sozialen Integration in
unsere gemischte Gruppe (Familie) ist. Damit ist gewähleistet, dass Hunde
Wohlbefinden und Sicherheit aus einer beständigen und positiven Partnerschaft
erfahren.
Viele Grüße
Lennart